Ist mein Kind schwerhörig? Und wenn ja, wie geht es weiter?

Hören ist keine Frage des Alters. Auch Kinder können von einem Hörverlust betroffen sein.

In Deutschland wird so gut wie jedes Baby im Rahmen eines neugeborenen Screenings auf einen angeborenen Hörverlust getestet. Einer dieser kurzen und absolut schmerzfreien Tests besteht darin, dass dem neugeborenen Baby mit einem kleinen Gerät, das ans Ohr gesetzt wird, Töne vorgespielt werden. Auf diese Töne reagiert ein gesundes Gehör mit einem Ton, den es zurücksendet. Dieser Ton ist so leise, dass er ohne das Messgerät nicht wahrzunehmen ist. Wird dieser Antwort des Ohres vom Messgerät erfasst, ist davon auszugehen, dass das Innenohr (genauer, die äußeren Haarsinneszellen gut funktionieren).

Wenn die Messung jedoch ein auffälliges Ergebnis zeigt und die akustische Antwort des Ohres nicht messbar ist, bedeutet dies jedoch nicht unbedingt eine Hörstörung. Denn wenn noch Fruchtwasser im Gehörgang ist oder die Messbedingungen nicht stimmen durch zu viele Störgeräusche (klappern, sprechen, weinen usw.) kann dies zu einem falschen Ergebnis führen. Die Messung wird dann auf jeden Fall wiederholt. Ist auch bei der Wiederholung das Messergebnis auffällig, wird die weitere Abklärung durch einen Hals-Nasen-Ohrenarzt erfolgen. Und manchmal kann das Ergebnis auch noch anders ausfallen und mit dem Gehör des Babys ist alles in Ordnung. (Bei ca. einem 1% ist keine akustische Antwort messbar und dennoch ist das Innenohr völlig intakt)

Wenn aber auch der Hals-Nasen-Ohrenarzt einen Hörverlust bestätigt, wird er genau eingrenzen in welchem Bereich des gesamten Hörapparats der Hörverlust seinen Ursprung hat.

Die Ursachen eines Hörverlusts kann im Prinzip in jedem Bereich liegen. Von einem nicht vollständig ausgebildeten Gehörgang, defekte im Mittelohr (z. Bsp. Trommelfell, Gehörknöchelchen) über das Innenohr (Haarsinneszellen) bis zum Hörnerv und der Verarbeitung im Gehirn.

(Sollte die Ohrmuschel nicht ausgebildet oder fehlgebildet sein, kann alles andere im Hörprozess funktionstüchtig sein, das Richtungshören ist jedoch eingeschränkt. Eine Ohrmuschel kann konstruiert oder operativ korrigiert werden)

Das Neugeborenen Screening, ist ein wichtiger und toller Schritt, um frühzeitig Hörverluste zu entdecken. Aber auch Kleinkinder, Kinder und Jugendliche können einen Hörverlust bekommen, denn nicht jeder Hörverlust ist angeboren oder tritt erst in einem hohen Alter auf.

Nicht richtig hören zu können, wiegt schwerer als nicht hören zu wollen. Deshalb achte unbedingt darauf, ob dein Kind hören kann. Reagiert es auf plötzliche laute Geräusche? Beginnt es zu sprechen? Wie entwickelt sich die Sprache? Berichtet dein Kind, dass oft etwas zu laut oder zu leise ist? Erzählt es von Ohrgeräuschen? Rauschen, piepsen brummen? Hat es Ohrenschmerzen?

Gutes Hören ist wichtig, für eine ungestörte Sprachentwicklung

Der Hals-Nasen-Ohrenarzt ist für die gesamte Diagnose zuständig und wird alle weiteren Tests in die Wege leiten und dir alles erklären. Frag immer nach, wenn du etwas nicht genau verstanden hast oder dir unsicher bist. Es geht um dein Kind und es ist wichtig, dass du weißt was passiert, damit du nicht unsicher wirst und dein Kleines bestmöglich unterstützen kannst. Mach dir ruhig Notizen, denn neben der aufregenden Situation, sind es doch meist sehr viele Informationen die Eltern in dieser Situation erhalten.

Sei immer bei deinem Kind. Die meisten Untersuchungen sind auch für dein Kind sehr aufregend und es ist ungewohnt, dass etwas am oder im Ohr gemacht wird. Die verschiedenen Hörtests tuen nicht weh und einige können auch im schlafenden Zustand durchgeführt werden.

Hörverluste haben unterschiedliche Ursachen und müssen deshalb auch unterschiedlich behandelt werden. Und das ist die Aufgabe eines guten Hals-Nasen-Ohrenarztes.

Zum Beispiel kann eine Mittelohrentzündung, einen dauerhaften Hörverlust zur folge haben. Aber eine Mittelohrentzündung kann auch sehr gut komplett abheilen und folgenlos bleiben.  

Andere Ursachen können operiert werden und dein Kind kann danach ohne weiteres hören und verstehen. Wieder andere können operiert werden, aber den Hörverlust nicht vollständig beheben. Es gibt sehr viele Ursachen und verschiedene Auswirkungen, die sie auf das Gehör haben können.

Heute zu Tage, kann beinah jede Art von Hörstörung, ob ein leichter Hörverlust oder Gehörlosigkeit behandelt oder ausgeglichen werden. Und das ist wirklich unglaublich. Gerade in der westlichen Welt, gibt es für die meisten Menschen den Zugang zu hochmoderner Medizin und Technik. Deshalb ist es so wichtig nicht zu verzweifeln, sich keine Vorwürfe zu machen (du kannst nichts für der Hörverlust deines Kindes. Die meisten Kinder mit Hörverlusten, werden von Eltern ohne Hörverlust geboren) und glücklich darüber zu sein, dass dein Kind das Privileg hat von Technik und Medizin auf höchstem Niveau zu profitieren. Denn dieses Glück, haben sehr viele Kinder und auch Erwachsene auf der Welt nicht.

Eine Möglichkeit einen Hörverlust auszugleichen ist ein Hörgerät

Bei einem bestehen Hörverlust sollte unbedingt schnellstmöglich der Zugang zu den gedämpften oder nicht (mehr) hörbaren Information wieder ermöglicht werden. Bei Babys und Kindern sollte die Versorgung nach der ärztlichen Abklärung unmittelbar begonnen werden, um die Entwicklung des Hörens und den Spracherwerb bestmöglich zu unterstützen. Je länger das Gehirn mit nur einem Teil der Signale (Töne, Geräusche, Sprache usw.) auskommen muss, desto schwieriger ist es alle Informationen zu verarbeiten. Möglich ist es fasst immer, aber umso länger der Hörverlust unversorgt ist um so langwieriger und/oder anstrengender kann der Prozess sein (Gerade in der Entwicklung ist schnelles handeln gefragt) Aber auch wenn es manchmal anstrengend sein kann, ist es alle Mühe wert. Und dies gilt sowohl für Babys, Kleinkinder, Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren.

Es gibt Methoden mit Laser und Methoden die die Durchblutung Förderern sollen. Solche Ansätze sollten nur mit Zustimmung des Hals-Nasen-Ohrenarztes und wenn überhaupt, ergänzend zu einer Hörgeräteversorgung erfolgen, da die Wirksamkeit nicht belegt ist. Gerade bei Kindern kann sich eine herausgeschobene Versorgung mit Hörgeräten negativ auf die Entwicklung auswirken.

Wenn es dir hilft, suche unbedingt den Austausch mit anderen Eltern, denn die Erfahrungen helfen oft die Situation besser anzunehmen und auch manches besser zu verstehen.

Eine Hörgeräteversorgung bei Kindern kann auf verschiedene Arten erfolgen und beginnt immer mit einer Ausprobe! Und das bedeutet wirklich ausprobieren, und zwar im Alltag. Erst wenn Ihr zufrieden seid, werdet Ihr euch auf ein System festlegen. Der Ohrenarzt wird sich das gewählte Gerät und den Hörerfolg deines Kindes nach einer vergleichenden Ausprobe auch noch einmal ansehen. In der Regel ist ein Hörsystem für Kinder eine Kombination aus einem individuellen Ohrpassstück (dafür wird eine Abformung aus Silikon von dem Ohr und einem Teil des Gehörgangs genommen und meist in ein Labor zur Fertigung, des geschickt) und dem eigentlichen Hörgerät. Dieses Hörgerät liegt hinter dem Ohr, nimmt den Schall auf verarbeitet und verstärkt ihn. Ein Schallschlauch stellt die Verbindung zum Ohrpassstück dar. Aus dem im Gehörgang liegenden Teil des Ohrpassstücks, tritt verarbeitete Schall aus und wird ans Trommelfell weitergegeben. Das Trommelfell wird in Schwingungen versetzt. Das nun schwingende Trommelfell, sorgt für die Bewegung einer Kette aus winzig kleinen Knochen. Das Ende der Gehörknöchelchenkette mündet in die Hörschnecke, in der ein ebenso winziges Organ sitz, dass die ankommende Bewegung so verändert, dass Sie über den Hörnerv ans Gehirn weitergeleitet und verarbeitet werden kann. Der Mensch hört!

Wird auf beiden Ohren eine Hörschwäche festgestellt, erfolgt die Anpassung beidseitig. Das ist sehr wichtig, um ein Gleichgewicht herzustellen und Richtungshören (woher kommt ein Geräusch?!) zu ermöglichen.

Die Anpassung eines Hörgerätes ist immer etwas individuelles und wird auf der Basis eines Hörtest erfolgen.

Ist dein Kind noch nicht in der Lage, bei einem subjektiven Test (z. Bsp. drücken wenn es gerade einen Ton anfängt zu hören) zuverlässig zu reagieren, wird man auf einen objektiven Test zurück greifen. Genauso ist es mit der Rückmeldung deines Kindes auf das Gehörte. Kann es seine Eindrücke noch nicht klar schildern oder erklären, wird auch hier objektiv angepasst und auch die Lautstärke begrenzt, damit es deinem Kind nicht zu viel wird. Dir wird alles über die Tragedauer, Pflege und den Umgang mit den Hörsystemen ganz genau erklärt werden. Auch hier gilt wieder, wenn du etwas nicht verstanden oder wieder vergessen hast, frag unbedingt nach. Auch wenn dir am Tag der Anpassung Zuhause etwas einfällt. Mach dir Notizen zu deinen Beobachtungen und schau wie dein Kind sich mit den Hörgeräten verhält. Hast du das Gefühl etwas stimmt nicht oder dein Kind hört plötzlich mit dem oder den Geräten nicht mehr, dann melde dich umgehend bei eurem (Päd-)Akustiker.

Hörgeräte und Ohrpassstücke für Kinder sollten im nicht „unsichtbar“ sein, sondern eine schöne und zu dem Kind passende Farbe haben. Sie können mit Glitzersteinen und vielen niedlichen Dingen verziert werden. Dein Kind kann sich so am besten mit dem Hörgerät identifizieren, es wird die Verbesserung seines Gehörs sehr wahrscheinlich sowieso als Zugewinn sehen. Kinder haben viel weniger Berührungsängste und Vorurteile als wir Erwachsene und können sogar richtig stolz auf ihre Hörgeräte sein. Und so begegnen normalerweise auch andere Kinder deinem Kind und den Hörsystemen mit Interesse und Offenheit.

Es kann auch eine großartige Sache sein, wenn der Lieblingsbär auch ein Hörgerät (z. Bsp. ein Dummy) bekommt und nun beide das gleiche Hörsystem tragen dürfen.

Je nach Ursache oder Schweregrad des Hörverlusts, kann es auch für Kinder Sonderversorgungen geben. Implantierbare (Cochlearimplantate) und Teilimplantierbare Hörsysteme (Bonebridge), Knochenleitungsgeräte ohne Teilimplantat, sowie Hirnstammimplantate.

Zu jedem Hörsystem gibt es sehr viele Erweiterungsmöglichkeiten und Verbesserungsmöglichkeiten (Nutzbar z. Bsp. als in-ear-Kopfhörer oder mit Tischmikrofon im Klassenraum um den Lehrer noch besser zu verstehen)

Die Anpassung endet nie vollständig

Der (Päd-) Akustiker bleibt immer weiter euer Ansprechpartner, er wird in den folgenden Jahren das Hörsystem kontrollieren und immer mal wieder nachjustieren. Der Sitz des Ohrpassstücks muss immer passgenau genau. Es sollte nicht drücken, aber auch nicht wackeln oder rutschen. Gerade im Wachstum, kann sich auch der Sitz des Ohrpassstücks schneller verändern und ein neues muss her. Die Krankenkasse übernimmt in der Regel alle sechs Jahre den Festbetrag für neue Hörsysteme. (Mehrkosten können, bei Sonderwünschen entstehen. Dies sollte aber immer vorher besprochen werden. Sag offen ob und wenn welches Budget du einplanen möchtest) Für Ohrpassstücke auch früher.  Auch wenn alles gut ist, solltest du regelmäßig mit deinem Kind zum Hals-Nasen-Ohrenarzt und deinem Akustiker gehen.

Hörtest, Reinigung und Nachanpassungen gehören zu der Versorgung und es fallen dafür keine Kosten an.

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